2023-11 Pflegebauernhof statt Seniorenheim - Agrarbetrieb

Pflegebauernhof statt Seniorenheim

Immer mehr Menschen suchen nach Alternativen zum klassischen Alters- bzw. Seniorenheim. Anstatt den ganzen Tag in einem „Kasten“ zu verbringen, wünschen sich unsere Senioren, ihren Lebensabend in der Natur, am besten auf dem Land zu verbringen. Ein Pflegebauernhof ist dafür eine ideale Lösung, um nicht nur mit anderen Gleichgesinnten auf dem Hof mit anzupacken, sondern auch länger aktiv zu bleiben.

Die Idee an sich ist nicht neu; was allerdings neu ist, ist die Tatsache, dass dieses Konzept bei kleinen, landwirtschaftlichen Betrieben vermehrt an Attraktivität gewinnt.

Wie kommt es dazu?

Die Abhängigkeit von Agrarsubventionen, der stetig steigende Preis- und Marktdruck führt immer mehr Betriebe ins Aus. Über das Thema Höfesterben habe ich hier auf Agrarbetrieb schon des Öfteren geschrieben. Siehe hierzu auch den Beitrag: Höfesterben in der digitalen Ära geht weiter.

Was tun also, wenn wir unsere Leidenschaft nicht an den Nagel hängen und das, was unsere Vorfahren mit ganz viel Schweiß und Mühe aufgebaut haben, nicht aufgeben wollen? Irgendwie muss man sich ja seinen Lebensunterhalt finanzieren.

Einen Pflegebauernhof betreiben ist sicherlich ein tolles Konzept.

Pflegebauernhof – Landleben mal ganz anders

Vor Kürze habe ich im SWR eine sehr interessante Doku über dieses Thema gesehen. Es ging um Guido Puschs Pflegebauernhof in Marienrachdorf, im Westerwald. Er gilt als Pionier dieser Idee, denn er gründete 2011 den ersten Pflegebauernhof Deutschlands.

Auf seinem Familienbetrieb wohnen derzeit 22 Senioren / Seniorinnen in jeweils zwei Wohngemeinschaften. Die pflegebedürftigen leben auf dem Hof, in einer ehemaligen Scheune und werden professionell vom Pflegepersonal betreut. Diejenigen, die aktiv und mobil sind, wohnen in einer Selbstversorger-WG in der Nachbarschaft.

Das Wichtige bei dem gesamten Konzept: jeder hilft mit, wie und wo er kann.

Ein ehemaliger LKW-Fahrer wartet den Traktor. Ein Ex-Landrat hilft bei der Geburt von Kälbern. Die einen versorgen die Rinder, Schweine, Schafe, Hühner, Gänse und Co. Wiederum andere helfen bei der Ernte oder beim Kochen. Diese sinnvollen Arbeiten halten die Bewohner aktiv und gleichzeitig auch glücklich, denn sie wissen, dass sie was für das Gemeinwohl tun. Ihre Arbeit wird nämlich wertgeschätzt.

Es ist ein ‚WIN-WIN‘ Situation. Ältere Menschen werden respektvoll behandelt und fühlen sich sehr wohl. Der Landwirt erwirtschaftet mit dieser sozialen Dienstleitung ein Einkommen, dass teils mehr Sicherheit bieten kann, also der Erwerb aus der Produktion von Lebensmitteln.

Leider kann ich das Video hier im Blog nicht direkt einbetten, deshalb füge ich den offiziellen Link aus der ARD Mediathek hier ein. Die Doku dauert 30 Minuten und ist absolut sehenswert.

SWR Doku aus der ARD Mediathek

Ein innovatives Konzept was sich auf andere Bauernhöfe übertragen lässt

Immer mehr Familienbetriebe, die oft einen Mehrgenerationen-Bauernhof betreiben, tun sich schwer mit der aktuellen wirtschaftlichen Lage. Während Großinvestoren und Großkonzerne problemlos Land abzwacken, kämpfen die Kleinen ums Überleben.

Viele dieser Bauernhöfe suchen nach Alternativen, um ihr Bauernhof am Leben zu halten. Da kommt das Konzept des erweiterten Bauernhofs bzw. eines Pflegebauernhofs dem einen oder anderen Landwirt sehr entgegen.

Wenn Ihr ein Bauernhof habt bzw. einen erwerben möchtet und Ihr dieses Konzept attraktiv findet, dann könnt Ihr auf der Webseite „Zukunft Pflegebauernhof“ mit Guido Pusch und seinem Team inkl. Kooperationspartnern in Verbindung treten.

HIER geht’s zum Beratungskonzept.

Das ist doch eine großartige Idee, um sein Bauernhof am Leben zu halten, findet Ihr nicht auch?

Wenn Ihr mit dem Gedanken spielt, Euren Betrieb umzustellen bzw. zuerweitern, dann wendet Euch an das oben erwähnte Team.

Früher gab es keine Altersheime. Da war es selbstverständlich, dass die jüngeren Generationen sich um die Eltern und Großeltern kümmern. Das hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Ob das eine gute oder schlechte Entwicklung ist, überlasse ich jedem selbst zu beurteilen.

Hut ab für meinen Landwirtschaftskollegen und seine Initiative unseren Senioren / Seniorinnen mit dem Pflegebauernhof ein schönes Lebensalter mitten in der Natur zu ermöglichen.

Bildquelle: Foto von Gustavo Fring auf Pexels

2022-11 Green Care Bauernhof statt Altersheim

Green Care: Bauernhof statt Altersheim

In einer schnelllebigen Welt, in der das Idealleben gerne auf den vielfältigen, sozialen Netzwerken dargestellt wird, geraten die Älteren unter uns scheinbar in Vergessenheit. Viele Senioren fühlen sich auf den „Gleisen“ abgestellt und suchen nach Anschluß in einer Gesellschaft, die sie nicht immer ernst nimmt. Dabei ist nicht jeder von ihnen bereit, alles hinzuschmeißen und sein Lebensalter auf einem Sessel vor dem Fernseher zu verbringen. Sie bevorzugen „vitalere“ Alternativen, welchen ihnen ermöglichen, noch aktiv am Leben teilzunehmen. Da kommt ihnen das Konzept des Green Care wohl sehr entgegen. Denn hier geht’s nämlich auf den Bauernhof anstatt ins Altersheim.

Dass die klassischen Altersheime nicht jedermanns Geschmack treffen, ist klar. Zwar bemühen sich viele Häuser und Vorstände neue Konzepte und Ideen in die traditionelle Herangehensweise einzubetten, aber damit können sie den Markt bei Weitem nicht abdecken.

Für Senioren, die aktiv am Leben teilhaben und sich in einer Familie integriert fühlen möchten, sind Altersheime keine Lösung. Zum Glück blühen immer mehr Senioren-Wohngemeinschaften auf Bauernhöfen. Egal ob in Deutschland, Österreich, Niederlanden, Norwegen oder der Schweiz, immer mehr Bauernhöfe erweitern ihre Dienste und empfangen Senioren bei sich auf dem Land.

Was spricht dafür? Wieso zieht es Senioren vermehrt auf einen Bauernhof? Ist Green Care eine tragfähige Lösung, um das massive Höfesterben aufzuhalten und gegebenenfalls diesem auch entgegen zu wirken?

Green Care bietet einen Lebensabend in familienähnlichen Strukturen

Neulich forschte ich im Archiv des ZDF und stoß dabei auf eine sehr interessante Dokumentation aus dem Jahr 2020. Es ging nämlich um mein heutiges Thema, auf den Bauernhof statt ins Altersheim zu ziehen. In der halbstündigen Doku werden neun Senioren ein halbes Jahr lang auf dem Anwesen von Familie Müller (Hofbesitzer) begleitet.

Die Betriebsleiterin Andrea Müller (56) ist täglich für das Kochen zuständig. Der Sohn Manuel übernimmt die Arbeit auf dem Land und träumt davon, mit seiner Ehefrau die Idee des Senioren-WGs zu übernehmen und zukünftig ebenfalls Seniorenwohnungen im Dorf anzubieten.

Die Doku kann ich jedem empfehlen, der ein bisschen hinter die Kulissen dieses Konzepts blicken möchte. Sie ist wirklich sehenswert.

Hier geht’s zur ZDF Doku.

Dass ein Leben auf dem Land, umgeben von Pflanzen und Tieren, viele Vorteile mit sich bringt, ist wohl allgemein bekannt. Wie wichtig die Sonne und das Aufhalten draußen an der frischen Luft sind, ist kein Geheimnis und lernt man wohl üblicherweise bereits von Kindesbeinen an. Wenn wir das regionale und saisonale Essen bzw. die familienähnlichen Strukturen dazu zählen, haben wir ein perfektes „Gesundheitspaket“ für ein angenehmes Leben unabhängig vom Alter.

Welche Vorteile bringt denn Green Care für die Senioren mit sich?

  • Kosten: Diese sind wesentlich geringer als im Altersheim.
  • Eigenständigkeit: Wer fit ist, kann auf dem Bauernhof anpacken; wer lieber mit dem Hund spazieren mag, kann dies ebenfalls problemlos tun. Jeder kann sich einbringen, die Aktivitäten sind vielfältig.
  • Lebensqualität: Die Seele mitten in der Natur baumeln lassen.
  • Pflege: Bei Bedarf wird ein Pflegedienst hinzu gezogen.

Senioren-WGs auf dem Bauernhof – Eine Lösung gegen Höfesterben?

Das Höfesterben-Phänomen hat uns voll eingeholt. Die Superreichen und großen Agrarunternehmen machen keinen Hehl mehr daraus, dass sie so viel Land wie möglich kaufen wollen — und dies auch konsequent tun. Während sie problemlos Millionen und Milliarden in neue Technologien, Landmaschinen und Co. investieren können, sehen sich andererseits immer mehr Familienbetriebe gezwungen, ihre Pforten zu schliessen. Das, was Generationen mit viel Mühe, Liebe und Leidenschaft aufgebaut haben, verpufft vor ihren weinenden Augen.

Dabei versucht jeder, gegen diesen Trend so gut wie möglich dagegen zu steuern bzw. mitzugehen, wie er nur kann. Die einen probieren neue Getreide- und Pflanzensorten, die anderen gestalten ihre Bauernhöfe in sogenannten Ferienresorts um, während eine kleine, aber stetig wachsende Zahl mutiger Landwirte auf Green Care umsteigen.

Selbstverständlich wird auf den Green Care Bauernhöfen keine Viehzucht oder Landwirtschaft nach alter Tradition betrieben, d.h. Hunderte von Tiere, die gefüttert und gemolken werden müssen oder Schlepper, die tagein tagaus ihre Runden drehen, um den Boden zu bearbeiten. Es handelt sich hierbei vielmehr um kleine, „schnuckelige“ Bauernhöfe, auf denen man gemeinsam zu Abend isst, Geburtstage zusammen feiert und das Leben in einer Großfamilie zelebriert.

Insbesondere Senioren, die aktiv sind und auf dem Bauernhof anpacken bzw. kleine Tätigkeiten im Haus erledigen können, sind auch eine echte Hilfe für die Bauernhöfe und für die Dörfer insgesamt. Im Zuge des demographischen Wandels, durch welchen es die jungen Generationen vermehrt in die großen Städte zieht, in denen das Singleleben als eine attraktive Lebensform vermarktet wird, ist dieser Gegentrend sicherlich eine äußerst interessante Idee, um die Dörfer wieder zu beleben und dem Leben auf dem Land einen neuen Sinn zu geben.

Für mich persönlich ist es noch kein Konzept, mit welchem ich mich aktuell auseinandersetze, jedoch wollte ich darüber berichten, um das Bewusstsein für solche, von der heutigen Normalität abweichende, Möglichkeiten zu schaffen und Menschen aus allen Lebensphasen über das Konzept des Green Care zu informieren. Wer weiss, welche innovativen Ideen noch umgesetzt werden und wofür sich jeder von uns eines Tages entscheidet. Für mich persönlich spricht als naturbegeisterter Landwirt selbstverständlich alles für einen Bauernhof.

Bildquelle: Foto von Jake Heinemann auf Pexels

2022-06 Traegt Gartenarbeit zu einer hoeheren Lebenserwartung bei

Trägt Gartenarbeit zu einer höheren Lebenserwartung bei?

Leben Menschen, die als Hobby Gartenarbeit betreiben, länger als andere? Sind Landwirte gesünder als Nicht-Landwirte? Leiden Menschen, die eine enge Verbindung zur Natur haben und sich schwerpunktmäßig von Pflanzen aus dem eigenen Garten ernähren, weniger unter Krankheiten? Glaubt man den aktuellen Studien und den Bewohnern der „Blue Zones“, den Regionen, in den Langlebigkeit „normal“ ist, dann stimmen diese Aussagen durchaus.

Die wenigsten Erdbewohner werden bei Antworten auf die Frage, wie man ein langes, gesundes und erfülltes Leben hat, mit „nicht interessiert“ antworten. Dennoch, wie wertvoll es ist fit und aktiv zu sein, und dies auch im hohen Alter, merken wir leider erst dann, wenn alles nicht mehr so funktioniert, wie wir es uns gerne wünschen. Das gestresste Leben in der westlichen Zivilisation, das Rennen nach dem Geld, um die immer höher werdenden Kosten und Konsumwünsche zu decken, der ungesunde Lebensstil samt katastrophalen Essgewohnheiten, schlechter bzw. mangelnder Schlaf und eine völlige Entkoppelung von Mutter Natur haben bittere Konsequenzen.

Das dies auch anders funktionieren kann, zeigen uns vor allem die Bewohner der „Blue Zones“. Seit den Beiträgen über die „100+“-Jährigen, die Auto fahren, Bücher und Zeitschriften ohne Brille lesen, tanzen, arbeiten und überhaupt ganz aktiv am Leben teilnehmen, hat sich etwas im Bewusstsein der Menschen verändert. Man muss nicht zwangsweise an einer oder mehreren chronischen Krankheiten leiden und die letzten Jahre seines wertvollen Lebens Arzttourismus betreiben. Es geht auch anders.

Wer sind diese Bewohner der Blue Zones und was haben sie gemeinsam?

Die Menschen aus folgenden Regionen der Welt sind für ihre Langlebigkeit bekannt:

  • Icaria (Griechenland)
  • Sardinien (Italien)
  • Nicoya (Costa Rica)
  • Loma Linda (Kalifornien)
  • Okinawa (Japan)

Die Regionen sind über die Welt verteilt, aber dennoch gibt einige Gemeinsamkeiten: eine auf Pflanzen basierende Ernährung, mäßige körperliche Aktivität und soziale Verbindungen. Hinzu kommt, dass viele dieser Einwohner kleine, persönliche Gärten pflegen, in denen sie bis ins hohe Alter arbeiten.

Körperliche und psychische Vorteile von Gartenarbeit

Ohne irgendwelche Untersuchungen zu lesen, wissen wir alle, dass ein Lebensstil im Freien, gesundes Essen, Bewegung und das Leben in einer Gemeinschaft für ein längeres Leben essentiell sind. Inwieweit Gärtner (egal ob Vollgärtner oder Hobby-Gärtner) mit einem längeren Leben bzw. einer besseren Lebensqualität im Alter rechnen können, können wir einer Reihe von Studien entnehmen:

  • Gartenarbeit senkt den Spiegel des Stresshormons Cortisol (Van den Berg, A; Custers, M: „Gardening promotes neuroendocrine and affective restoration from stress“, in Journal of Health Psychology, 2011 Jan. PMID: 20522508)
  • Tägliche Gartenarbeit führt zu einer 36% Reduktion von Demenz (Simons, L; Simons, J; McCallum, J; Friedlander, Y: „Lifestyle factors and risk of dementia: Dubbo Study of the Elderly“, in The Medical Journal of Australia, 2006 Jan. PMID: 16411871)
  • Gartenarbeit erweist sich als vorteilhaft auch bei Alzheimer’s (Detweiler, M; Murphy, P; Myers, L; Kim, K: „Does a wander garden influence inappropriate behaviors in dementia residents?“, in American Journal of Alzheimer’s Disease and Other Dementias, 2008 Feb-Mar. PMID: 18276956)

Selbstverständlich können wir die Langlebigkeit per se nicht zu 100% der Arbeit im Garten zuordnen, denn es kommen noch weitere Komponenten hinzu: der Verzehr von frischem Obst und Gemüse aus dem eigenen Garten, sie sozialen Kontakte, die man pflegt, wenn man diese Produkte auf dem lokalen Markt verkauft oder in der Nachbarschaft gegen andere Güter tauscht sowie die Tatsache, dass man sich lange Zeit in der Natur, im Grünem, in der Sonne und an der frischen Luft aufhält. Die Vitamine, Mineralien und phytoaktiven Verbindungen, die man auf dieser natürlichen Art und Weise aufnimmt, verleihen den Zellen im Körper lebenswichtige Energie.

Klingt doch gut, als Hundertjähriger munter im eigenen Garten hoch und runter zu spazieren, die lästigen Unkräuter per Hand zu entfernen, dabei fit zu bleiben und das frische Lieblingsgrünzeug direkt zu naschen? Wer seinen eigenen Garten pflegt, wird vorzugsweise auch diejenigen Pflanzen anbauen, die er / sie gerne isst.

Lässt sich dieses Langlebigkeits-Konzept auch auf Landwirte übertragen?

Nun leben Landwirte größtenteils auf dem Land, bewegen sich ganz viel, verbringen jede Menge Zeit im Grünen und sind meist sozial vernetzter als andere „moderne“ Berufe. Zwar bevorzugen viele meiner Kollegen aus der Landwirtschaft Fleischprodukte, d.h. sie ernähren sich ungesünder als die Bewohner der „Blue Zones“ — Gibt es dann Hinweise darauf, dass Landwirte länger leben?

Was sagen die Studien?

  • Landwirte leiden ein Drittel seltener an einer chronischen Krankheit (Brew, B; Inder, K; Allen, J; Thomas, M; Kelly, B: „The health and wellbeing of Australian farmers: a longitudinal cohort study“, in BMC Public Health, 2016. PMCID: PMC5025556)
  • Die Wahrscheinlichkeit an Krebs, Herzkrankheit oder Diabetes zu sterben ist geringer als bei der Allgemeinbevölkerung (Rafnsson, V; Gunnarsdottir, H: „Mortality among farmers in Iceland“, in International Journal of Epidemiology, 1989 Mar. PMID: 2722358)
  • Landwirte suchen 40% seltener einen Hausarzt auf als Arbeitnehmer aus anderen Berufen
  • In Japan z.B. haben selbständige Landwirte eine höhere Lebenserwartung als Nicht-Landwirte (Prof. Kenji Horiguchi, Prof. Masahiko Genma: „Secrets behind longevity of farmers“, von Waseda University Tokio, 2017.)

An dieser Stelle sollte ich darauf hinweisen, dass die Landwirtschaft in der westlichen Welt nicht mehr viel mit der traditionellen Landwirtschaft zu tun hat. Übersetzt heisst das: wir haben Schwerstarbeit zu leisten, wir nutzen viel Technologie; einiges ist automatisiert, anderes wiederum erfolgt unter recht gefährlichen Bedingungen. Das wirtschaftliche und politische Umfeld, vielfach arbeiten wir mit Krediten zur Finanzierung, erhöhen den Stresspegel deutlich. Vergessen dürfen wir auch nicht die Tatsache, dass wir mittlerweile recht viele Stunden am Computer sitzen, sei es um Rechnungen zu begleichen, Maschinen zu steuern oder Logistikwege zu optimieren. Hinzu kommen die ewigen Telefonate mit Mitarbeitern, Zulieferern von Maschinenteilen oder Serviceanbietern für eine Reparatur, die dringend ansteht.

Nicht desto trotz hält sich ein Landwirt, der eine mehr oder weniger moderne, hochtechnologisierte Landwirtschaft betreibt, weiterhin viel mehr als der Otto-Normalbürger, der die meiste Zeit seines Lebens tagsüber vor dem PC und abends vor dem TV verbringt, im Grünen auf.

Was lernen wir daraus?

Zwar ist Gartenarbeit nicht das „A“ und „O“ der Langlebigkeit, aber sie ist sehr wohl eine wichtige Komponente, die man aufgrund der oben aufgedeckten Erkenntnisse nicht vernachlässigen sollte. In Punkto mäßige körperliche Aktivität in Kombination mit frischer Luft, lebendigem Grün, Sonnenstrahlen und dem Plauschen mit Gleichgesinnten, ist diese sicherlich eine Tätigkeit, die von jedem in Erwägung gezogen sein sollte.

Schlussendlich muss man nicht sofort zum Vollgärtner mutieren, um von den vielen Vorteilen der Gartenarbeit zu profitieren. Diese Aktivität kann sicherlich auch als Hobby in einer Großstadt als Ausgleich zu einem langen Bürotag betrieben werden. Im Leben kommt es immer auf die Balance an, eine Weisheitm die wir in der westlichen Zivilisation scheinbar leider vergessen haben.

Gartenarbeit macht Spass. Wenn Langlebigkeit der Nebeneffekt ist, wird es sehr spannend, wie sie zudem unser Leben bereichern kann.

Bildquelle: Foto von Filip Urban auf Unsplash

Höfesterben in der digitalen Ära geht weiter

Höfesterben in der digitalen Ära geht weiter

Goodbye jahrhundertealtes Modell des bäuerlichen Familienbetriebs. Bühne frei für große Agrarunternehmen, die das nötige ‚Kleingeld‘ haben in hochmoderne Technik zu investieren. Damit welcome zum Höfesterben-Phänomen.

Im Jahr 1960 gab es in Deutschland rund 1,5 Millionen bäuerliche Betriebe. Die letzte offizielle Betriebszählung aus dem Jahr 2016 meldete nur noch 275.000 Landwirtschaftsbetriebe. Das Fiasko geht aber weiter: rund 5.000 bäuerliche Betriebe schließen pro Jahr in Deutschland (1,5 bis 1,7%), Tendenz steigend. Gleichzeitig boomen die größeren Höfe.

Es wird schlimmer. Glaubt man einer aktuellen Studie der DZ Bank dann wird die Zahl der Betriebe in 2040 auf 100.000 sinken. Im gleichen Atemzug wird die durchschnittliche Betriebsgröße von 60,5 auf ca. 160 Hektar steigen.

Ein weiterer Trend den die Banker prognostizieren: die Zahl der Öko-Bauern wird in 2040 rund 45.000 betragen und der Öko-Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands von derzeit 10% auf ca. 20% steigen.

Quelle: DZ Bank Studie „Agrar 4.0“ – Abschied vom bäuerlichen Familienbetrieb?

Die einen wollen vom Höfesterben nichts wissen, andere wiederum zucken mit den Schultern und schieben alles auf den natürlichen Strukturwandel. Die Politik erzählt eins und macht wie oft genau das Gegenteil.

Woher dieser Schub beim Höfesterben?

Versuchen wir mit einem „kühlen“ Kopf die Sache zu analysieren. Wieso müssen so viele kleine Bauernbetriebe schließen (besonders stark betroffen sind Milchviehbetriebe und Schweinehalter)?

Ein Blick auf die Fakten:

  • Digitalisierung. Diese verspricht im landwirtschaftlichen Sektor eine effizientere Produktion (bis zu 15% Steigerung). Hierfür muss man in moderne Technik investieren. Erstens, kann das nicht jeder und zweitens, schreit eine derartige Investition nach der Bildung größerer Betriebseinheiten, um auch zukünftig profitabel zu bleiben.
  • Umweltauflagen, Klimapaket, neue Düngeverordnung & Co. Moderne Ställe, neue Gülledepots… die Auflagen und Forderungen an die deutschen Bauern steigen stetig weiter und gleichzeitig werden die Direktzahlungen gekürzt.
  • Nachfolgeproblematik. Einerseits werden die geburtenstarken Jahrgänge unter den Landwirten in den Ruhestand gehen und andererseits ändern sich die Lebensentwürfe i.S. viele Kids die auf dem Bauernhof aufgewachsen sind, sehen in der Landwirtschaft keine ökonomischen Zukunftsperspektiven.
  • Fachkräftemangel. Es müssen ja nicht immer Familienmitglieder sein die auf dem Hof arbeiten; die großen Betriebe kompensieren den rückläufigen Arbeitskräfteeinsatz mit familienfremde Fachkräfte z.B. aus dem Ausland.

So, jetzt haben wir ein bisschen die Lage beschrieben und nun kommt die wichtigste Frage:

Wie weiter bzw. was sollen kleine Familienbetriebe tun?

Ich bin ja von der ganzen Sache genauso betroffen wie andere Familienbetriebe auch. Da ich mich lediglich auf dem Gebiet des Ackerbaus bewege, weiss ich wie unheimlich schwierig es meine Kollegen aus der Viehzucht haben. Diese kämpfen neben den oben aufgeführten Problemen zusätzlich noch mit Tierkrankheiten, Konsumentenmisstrauen und weiteres.

Mögliche Lösungsansätze und Alternativen

Hier ein paar Gedanken und Alternativen zu dem was auf uns zurollt. Vielleicht ist ja für den einen oder anderen von Euch was dabei. Wiederum andere werden daraus etwas Neues kreieren und auf andere Lösungsansätze kommen. Für manch anderer ist nichts dabei was passt.

Vielleicht habt Ihr ja eine bessere Idee und wollt es mit uns allen teilen. Dann tut so bitte in den Kommentaren, ich freue mich auf Eure Anregungen.

Variante Switch auf Öko-Landbau (ganz oder teilweise).

Immer mehr Konsumenten wollen Bioprodukte kaufen. Die Ernährungsgewohnheiten haben sich verändert und obendrauf kommt noch das Thema Umweltschutz. Wenn die Prognosen der DZ Bank stimmen, dann werden die Öko-Anteile auf 20% steigen. Für jeden der ökologisch wirtschaften will, ist das ein gutes Zeichen.

Variante „Green Care“ – Bauernhof statt Altersheim.

Auf diesen Trend bin ich selbst erst seit wenigen Monaten aufmerksam geworden, als bei einem meiner Landwirtschaftskollegen das Thema aufkam, ‚wohin mit den Großeltern die ihr ganzes Leben auf dem Bauernhof verbracht haben und am liebsten auch hier sterben würden‘.

Das Konzept was sich in Skandinavien und den Niederlanden schon längst bewährt hat, schwappt jetzt auch zu uns rüber. Aktiv am Hofleben beteiligen statt ins Altersheim abtransportiert zu werden, sogenannte Senioren-WGs auf dem Bauernhof sind eine interessante Option für jeden Landwirt der offen ist für Neues.

In der Sendung 37° des ZDF wird hierüber immer öfters berichtet. Anbei ein kleiner Beitrag den ich auf YouTube gefunden habe; die Originalsendung ist in der ZDF Mediathek anzuschauen.

Quelle: Landesschau Rheinland-Pfalz SWR, YouTube

Variante Kooperationen mit anderen Sektoren.

Hier greife ich auf ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung zurück: die Kooperation mit z.B. Bienenhalter durch Schaffung von Greening-Flächen. Siehe hierzu mein Projekt „Blumenwiesenpatenschaften„.

Weitere Kooperationsmöglichkeiten: mit lokalen Einzelhändlern, mit Floristen und anderen Branchen, mit Schulen und Universitäten, mit Hotelketten usw.

Variante Sonderkulturen die mehr Wertschöpfung bieten.

Sanddorn, Aroniabeeren, Wildkräuter… es gibt spannende Nischen die man besetzen kann. Dafür müssen wir als Landwirte jedoch umdenken und bereit sein Neues auszuprobieren.

Wie vorhin erwähnt, das sind nur ein paar Gedankenanstöße. Wenn Ihr weitere spannende Ideen und Lösungsalternativen habt, dann teilt diese doch mit der Agrarbetrieb-Community. Nur wenn wir voneinander lernen, kommen wir als Spezies weiter. Das wissen wir in der Landwirtschaft nur allzu gut.

Höfesterben – Können wir dieses schreckliche Phänomen verlangsamen oder gar stoppen? Oder sollen wir es ganz einfach als „natürliche Selektion“ abtun und in die Big Cities „migrieren“?

News NutriScore und Sozialexperiment

NEWS: NutriScore, Tönnies und ein Sozialexperiment

Welchen Nährwert haben Lebensmittel? NutriScore soll Abhilfe leisten. Das neue Label soll die Nährwertkennzeichnung in Deutschland erleichtern.

Vier Modelle standen zur Auswahl. In einer Verbraucherstudie im Auftrag des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hatte NutriScore die Nase vorn. Dieses Modell wurde von Verbrauchern am besten verstanden.

NutriScore ist ein einfaches Modell bestehend aus der eingängigen Farbenwelt einer Ampel. So ist der Buchstabe „A“ grün hinterlegt und „E“ rot hinterlegt. Das Label bietet demnach eine schnelle Orientierung, lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Nährwerte zu. Wer tiefgreifendere Infos benötigt sollte sich unbedingt die Zutatenliste und die Nährwerttabelle anschauen.

Das System wurde von zwei Gruppen von Menschen besonders stark geschätzt: einerseits waren es Personen mit Adipositas (Fettleibigkeit) und andererseits, Personen die sich gar nicht bzw. selten mit der Zusammensetzung von Lebensmitteln beschäftigen. [Quelle: Welt]

In unserer schnellebigen Welt wo gesundes Essen oft durch Fertiggerichte, Fast-Food und Cola ersetzt wird, dürfte das neue Ampelsystem dem einen oder anderen ein netter „Reminder“ sein. Vorgestellt wurde NutriScore am 30.09. von der Bundesministerin Julia Klöckner. Die Zustimmung des Kabinetts fehlt noch.

Was kann die Lebensmittelampel wirklich?

Hier ein paar Erkenntnisse aus Ländern wie z.B. Frankreich, die NutriScore schon etwas länger im Einsatz haben.

Quelle: marktcheck, YouTube

Tönnies investiert 500 Mio. EUR für einen Schlachthof in China

An China kommt heute kaum noch ein Unternehmen vorbei. Die Wachstumsraten locken immer mehr Fremdinvestoren ins Land. Mehr als eine Milliarde mögliche Kunden – das ist eine spannende Zahl.

 „Die Nachfrage nach Schweinefleisch in China und vielen weiteren asiatischen Ländern ist groß und wird in den kommenden Jahrzehnten weiter wachsen“, sagt Clemens Tönnies, geschäftsführender Gesellschafter der Tönnies Holding.

Die offizielle Absichtserklärung ist unterzeichnet, nun kann das deutsch-chinesische Joint Venture bestehend aus der Tönnis Unternehmensgruppe und dem Dekon Group (Tochter des West Hope Group) loslegen. Die Grundsteinlegung für den ersten Produktionsstandort außerhalb Europas ist für 2020 vorgesehen. Das neue Schlacht- und Zerlegezentrum entsteht in der Region Sichuan und ist zunächst für 2 Millionen Schweine ausgelegt. In einem zweiten Schritt soll der Standort dann auf 6 Millionen Schweine ausgebaut werden.

Die Gesamtinvestitionen belaufen sich auf 500 Mio. EUR. Rund 150 Mio. EUR hiervon entfallen auf das Schlacht- und Zerlegezentrum. Als Vorbild für die Bauten gelten die deutschen Tönnies-Betriebe.

Ganz so rosig ist die Situation in China derzeit nicht. Dies liegt an den unzähligen AFS-Fällen (Afrikanische Schweinepest) die viele Betriebe dazu gezwungen hat ihre Bestände zu keulen. Chinesische Betriebe sind nun bemüht bei ihrer Biosicherheit einem westeuropäischen Standard zu entsprechen. Darin sieht die Tönnies Holding eine große Chance; deutsche Standards samt Erfahrung sind in China sehr gefragt.

Quelle: Tönnies

Sozialexperiment „Was ist dir dein Einkauf wert?“ liefert überraschende Ergebnisse

Der Bio-Supermarkt Bio Company aus Berlin hatte eine super Idee. Das Team wollte nämlich ganz konkret wissen, was die Kunden bereit sind für ihre ausgewählten Produkte zu zahlen.

Das Sozialexperiment:

  • Tag: 24. September 2019
  • Zeit: zwischen 14 bis 18 Uhr
  • Markt: Bio Company Supermarkt in der Yorckstr. 37 in Berlin-Kreuzberg
  • Kunde entscheidet an einer speziellen Kasse was ihm der Einkauf wert ist
  • 132 Teilnehmer von insgesamt 347 Kunden welche die spezielle Kasse nutzten und damit den Preis für ihren Einkauf selbst bestimmt haben

Die Ergebnisse:

  • Insgesamt zahlten Kunden deutlich zu wenig für die Bioprodukte => die Preisabweichung liegt bei -20%
  • 62% der Kunden schätzten den Preis für ihren Einkauf zu niedrig ein
  • 29% der Kunden zahlten mehr
  • 9% nannten einen Betrag der in etwa mit dem tatsächlichen Preis übereinstimmt

Aufgrund der Ergebnisse, stellt sich berechtigterweise folgende Frage:

Haben die Kunden die Chance eines günstigen Einkaufs genutzt ODER haben sie unwissend weniger für die Produkte gezahlt als diese tatsächlich wert sind?

Das Statement von Georg Kaiser, Geschäftsführer der Bio Company durfte keinen verwundern – zumindest keinen aus der Landwirtschaft. Kein Wunder, dass die Kunden jegliches Feingefühl für eine faire Preisgestaltung verlieren – sie werden ja mit Dumpingpreisen jedes Mal aufs Neue in die Geschäfte gelockt. Hauptsache der Lebensmitteleinzelhandel boomt. Mit Nachhaltigkeit hat dieses Verhalten nichts zu tun.

Quelle: Bio Company

NutriScore, Sozialexperimente, Investitionen

Heute habe ich drei unterschiedliche Themen aufgegriffen, die uns als Landwirte mehr oder weniger beeinträchtigen. Das Label NutriScore ist sicherlich eine nette Orientierungshilfe, aber das was uns in der Landwirtschaft stärker interessiert ist das Thema Preiswahrnehmung des Kunden. Daher finde ich die Ergebnisse des Sozialexperiments in Berlin, auch wenn es eine kleine Gruppe von Teilnehmern war, recht erschreckend. Es reflektiert jedoch das was wir als wichtige Kette in der Nahrungsmittelerzeugung erleben.

Verzerrte Realität?

Solange der LEH / Discounter seine Machtposition ausnutzt, wird es schwer. Kunden ändern ihre Wahrnehmung nicht von heute auf morgen insbesondere dann nicht, wenn sie sowohl Online als auch Offline mit Werbung bombardiert werden, die ihnen Top Ware zu Spottpreisen verspricht.

Kriegen wir mit NutriScore das Thema Fettleibigkeit in den Griff oder ist das eher nur ein schickes neues Etikett?