Go big or go home: In Japan steht die größte vertikale Farm
Vertical Farming, Underground Farming, Urban Farming – diese Begriffe tauchen immer häufiger in den News und in unserem Alltag auf. Indoor-Farming gewinnt an Popularität insb. in Krisengebieten. So kommt es auch, dass Japan nach seiner Atomreaktorkatastrophe in 2011 vermehrt auf dieses Konzept setzt. In der Stadt Kameoka erstreckt sich derzeit die größte vertikale Farm der Welt mit garantiert radioaktiv-freiem Salat.
Indoor-Gewächshäuser entstehen überall dort wo es Probleme mit der Belieferung von frischen Produkten gibt. Ob diese Probleme den Namen Mega-Cities, wachsende urbane Bevölkerung, Logistikkosten, CO2-Ausstoß, Radioaktivität, Energieverschwendung oder Staus in Ballungsräumen tragen, ist irrelevant. Grundsätzlich geht es darum, etwas Gutes für Mensch und Natur zu tun.
Im Klartext: Mensch kriegt frische Nahrung; Natur wird entlastet. Ein Win-Win für beide.
Nahrungsmitteln aus Hochhäusern – früher verspottet, heute Normalität
Die Städte boomen und damit einhergehend steigt auch die Zahl der Einwohner. In 2050 werden drei Viertel aller Menschen in Städten wohnen, so eine aktuelle Prognose der Vereinten Nationen.
Der Bedarf an Nahrung steigt.
Wir benötigen mehr landwirtschaftliche Flächen.
Eine vielversprechende Lösung heißt vertikale Landwirtschaft. Statt horizontal geht’s jetzt in die Höhe.
Die Idee ist gar nicht so lange her. Sie stammt aus dem Jahr 1999 vom ehemaligen Professor der Columbia University in New York, Dickson Despommier. Zusammen mit seinen Studenten entwickelte er das Konzept des Vertical Farming.
Er wurde ausgelacht, verspottet und für verrückt erklärt. Die Idee wurde als unrealistisch abgetan.
Knapp zwanzig Jahre später lacht keiner mehr.
Überall auf der Welt werden in hohen, mehrstöckigen Gebäuden innerhalb von Städten, Nutzpflanzen angebaut. Künstliches Licht (heute setzt man auf LED-Beleuchtung) versorgt die Pflanzen mit Energie. Nährstoffe werden aus einem geschlossenen Wasserkreislauf hinzugeführt. Transportwege werden dramatisch gekürzt. LKWs verbrauchen weniger Kraftstoff und der CO2-Ausstoß wird verringert.
Weitere Vorteile im Überblick:
- Völlig unabhängig von Klima, Jahreszeiten und Wetterschwankungen
- Es kann mehrfach pro Jahr geerntet werden.
- Keine Pestizide nötig, weil es sich hierbei um geschlossene Systeme handelt.
- Wenige bis gar keine Dünger nötig.
- Geringer Wasserverbrauch => der Einsatz hocheffizienter Bewässerungsverfahren wie z.B. Hydroponik und neuerdings Aeroponik, schont die Ressourcen
Die vertikale Farm – ein Weltwunder der Neuzeit
Die Hängenden Gärten von Babylon scheinen in der Neuzeit endlich wieder entdeckt zu werden.
Überall auf der Welt tüfteln innovative Startups mit Hilfe neuester Technologien an verbesserte Methoden. Das Fieber des Vertical Farming hält Industrienationen auf Trab. Die Konzepte werden ständig verfeinert und die Produktivität ununterbrochen gesteigert.
Mit mehr als 200 Indoor-Gewächshäuser nimmt Japan eine Vorreiterrolle ein.
Nach dem Fukushima-Disaster musste schnell agiert werden. Die Bevölkerung benötigte radioaktivfreie Nahrungsmitteln. So kommt es, dass in der Stadt Kameoka die flächentechnisch größte vertikale Farm der Welt gebaut wurde.
Auf 16 Ebenen, was rund 25 Hektar Anbaufläche entspricht, werden täglich 21.000 Salatköpfe produziert. Das ist nur die eine Anlage. Zusammen mit der zweiten Anlage kommt die Produktion auf fast 20 Millionen Salatköpfe pro Jahr.
Das Unternehmen Spread Co. liefert die Salatsorten täglich an Supermärkte und Restaurants in Tokio und Umgebung.
Japan’s Futuristische Farmen
Quelle: Al Jazeera English, YouTube
Die Zukunft der vertikalen Landwirtschaft
Die 2020-er Jahre werden die „Dekade der Revolution der vertikalen Landwirtschaft“ sein, so die Prophezeihung von Ray Kurzweil, Zukunftsstratege bei Google.
Glaubt man den Marktforschern von Global Market Insights, dann wird der weltweite Umsatz mit vertikalen Farmen im Jahr 2024 bei mehr als 13 Milliarden USD liegen.
Positive Nachrichten also zu dem was in punkto vertikale Landwirtschaft alles möglich ist. Und so kommt es, dass überall auf der Welt getüftlet und gebastelt wird, denn man will ja mehr als „nur Salat“ auf diesen Farmen anbauen können.
Die Firma Aerofarms aus den USA produziert auf seiner 21 Hektar großen Bio-Fabrik in Newark, New Jersey fast 1 Mio. kg Nahrung pro Jahr – allerdings handelt es sich hierbei ausschließlich um Salate.
Die Londoner wiederum nutzen einen 33 Meter tiefen Weltkriegsbunker, um zumindest einen Teil der Big City mit frischem Salat und Kräutern zu versorgen. Es handelt sich hierbei um Underground Farming.
In Deutschland hat die Firma Infarm die Nase vorn. In Berlin hat das Unternehmen bereits ein Netzwerk kleinerer Gewächsregale in mehreren Super- und Großmärkten installiert. So wachsen u.a. Basilikum und Petersilie vor Ort und können anschließend quasi direkt aus dem gläsernen Schrank verkauft werden.
Die Idee ist gereift und hat sich in den Köpfen der meisten Menschen eingeprägt. Die Überzeugungsarbeit fällt weg. Jetzt geht es darum, den Willen zu finden, derartige Hochhäuser in die Cities einzuplanen und das Ganze auch konsequent umzusetzen. Auf einem Planeten das von Geld und Profitabilität getrieben wird, kein einfaches Befangen.
Jetzt ist Eure Meinung gefragt:
Vertikale Farm – wie setzen wir das am besten um? Welche weiteren Ideen habt Ihr zu dem Thema?
Hallo Roland! Ein guter Artikel mit spannendem Thema. Es ist ja noch fraglich, ob vertikale Landwirtschaft indoors ohne Sonnenlicht rentabel sein kann. Bisher sind die Energiekosten durch die künstliche Beleuchtung noch recht hoch. Sogar die LED-Revolution, welche diese Art des Indoor-Anbaus überhaupt erst ermöglicht hat diesem Argument (noch) nicht vollkommen den Wind aus den Segeln genommen. Aber die Zukunft lässt hoffen 🙂
Hallo Elmar,
ich bin sicher das es kommen wird. So wie ein teures Auto seinen Käufer findet so wird es auch hier kommen.
Manche Menschen lieben das Besonder und zahlen dann auch dafür. Bis wann das dann für die breite Masse etwas wird kann dann noch etwas dauern.
Land wird weniger und Menschen ziehen in die Großstädte. Neue Hochhäuser werden das dann vielleicht mit einbauen. Beispiele in Asien gibt es schon.