Höfesterben in der digitalen Ära geht weiter

Höfesterben in der digitalen Ära geht weiter

Goodbye jahrhundertealtes Modell des bäuerlichen Familienbetriebs. Bühne frei für große Agrarunternehmen, die das nötige ‚Kleingeld‘ haben in hochmoderne Technik zu investieren. Damit welcome zum Höfesterben-Phänomen.

Im Jahr 1960 gab es in Deutschland rund 1,5 Millionen bäuerliche Betriebe. Die letzte offizielle Betriebszählung aus dem Jahr 2016 meldete nur noch 275.000 Landwirtschaftsbetriebe. Das Fiasko geht aber weiter: rund 5.000 bäuerliche Betriebe schließen pro Jahr in Deutschland (1,5 bis 1,7%), Tendenz steigend. Gleichzeitig boomen die größeren Höfe.

Es wird schlimmer. Glaubt man einer aktuellen Studie der DZ Bank dann wird die Zahl der Betriebe in 2040 auf 100.000 sinken. Im gleichen Atemzug wird die durchschnittliche Betriebsgröße von 60,5 auf ca. 160 Hektar steigen.

Ein weiterer Trend den die Banker prognostizieren: die Zahl der Öko-Bauern wird in 2040 rund 45.000 betragen und der Öko-Anteil an der landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands von derzeit 10% auf ca. 20% steigen.

Quelle: DZ Bank Studie „Agrar 4.0“ – Abschied vom bäuerlichen Familienbetrieb?

Die einen wollen vom Höfesterben nichts wissen, andere wiederum zucken mit den Schultern und schieben alles auf den natürlichen Strukturwandel. Die Politik erzählt eins und macht wie oft genau das Gegenteil.

Woher dieser Schub beim Höfesterben?

Versuchen wir mit einem „kühlen“ Kopf die Sache zu analysieren. Wieso müssen so viele kleine Bauernbetriebe schließen (besonders stark betroffen sind Milchviehbetriebe und Schweinehalter)?

Ein Blick auf die Fakten:

  • Digitalisierung. Diese verspricht im landwirtschaftlichen Sektor eine effizientere Produktion (bis zu 15% Steigerung). Hierfür muss man in moderne Technik investieren. Erstens, kann das nicht jeder und zweitens, schreit eine derartige Investition nach der Bildung größerer Betriebseinheiten, um auch zukünftig profitabel zu bleiben.
  • Umweltauflagen, Klimapaket, neue Düngeverordnung & Co. Moderne Ställe, neue Gülledepots… die Auflagen und Forderungen an die deutschen Bauern steigen stetig weiter und gleichzeitig werden die Direktzahlungen gekürzt.
  • Nachfolgeproblematik. Einerseits werden die geburtenstarken Jahrgänge unter den Landwirten in den Ruhestand gehen und andererseits ändern sich die Lebensentwürfe i.S. viele Kids die auf dem Bauernhof aufgewachsen sind, sehen in der Landwirtschaft keine ökonomischen Zukunftsperspektiven.
  • Fachkräftemangel. Es müssen ja nicht immer Familienmitglieder sein die auf dem Hof arbeiten; die großen Betriebe kompensieren den rückläufigen Arbeitskräfteeinsatz mit familienfremde Fachkräfte z.B. aus dem Ausland.

So, jetzt haben wir ein bisschen die Lage beschrieben und nun kommt die wichtigste Frage:

Wie weiter bzw. was sollen kleine Familienbetriebe tun?

Ich bin ja von der ganzen Sache genauso betroffen wie andere Familienbetriebe auch. Da ich mich lediglich auf dem Gebiet des Ackerbaus bewege, weiss ich wie unheimlich schwierig es meine Kollegen aus der Viehzucht haben. Diese kämpfen neben den oben aufgeführten Problemen zusätzlich noch mit Tierkrankheiten, Konsumentenmisstrauen und weiteres.

Mögliche Lösungsansätze und Alternativen

Hier ein paar Gedanken und Alternativen zu dem was auf uns zurollt. Vielleicht ist ja für den einen oder anderen von Euch was dabei. Wiederum andere werden daraus etwas Neues kreieren und auf andere Lösungsansätze kommen. Für manch anderer ist nichts dabei was passt.

Vielleicht habt Ihr ja eine bessere Idee und wollt es mit uns allen teilen. Dann tut so bitte in den Kommentaren, ich freue mich auf Eure Anregungen.

Variante Switch auf Öko-Landbau (ganz oder teilweise).

Immer mehr Konsumenten wollen Bioprodukte kaufen. Die Ernährungsgewohnheiten haben sich verändert und obendrauf kommt noch das Thema Umweltschutz. Wenn die Prognosen der DZ Bank stimmen, dann werden die Öko-Anteile auf 20% steigen. Für jeden der ökologisch wirtschaften will, ist das ein gutes Zeichen.

Variante „Green Care“ – Bauernhof statt Altersheim.

Auf diesen Trend bin ich selbst erst seit wenigen Monaten aufmerksam geworden, als bei einem meiner Landwirtschaftskollegen das Thema aufkam, ‚wohin mit den Großeltern die ihr ganzes Leben auf dem Bauernhof verbracht haben und am liebsten auch hier sterben würden‘.

Das Konzept was sich in Skandinavien und den Niederlanden schon längst bewährt hat, schwappt jetzt auch zu uns rüber. Aktiv am Hofleben beteiligen statt ins Altersheim abtransportiert zu werden, sogenannte Senioren-WGs auf dem Bauernhof sind eine interessante Option für jeden Landwirt der offen ist für Neues.

In der Sendung 37° des ZDF wird hierüber immer öfters berichtet. Anbei ein kleiner Beitrag den ich auf YouTube gefunden habe; die Originalsendung ist in der ZDF Mediathek anzuschauen.

Quelle: Landesschau Rheinland-Pfalz SWR, YouTube

Variante Kooperationen mit anderen Sektoren.

Hier greife ich auf ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung zurück: die Kooperation mit z.B. Bienenhalter durch Schaffung von Greening-Flächen. Siehe hierzu mein Projekt „Blumenwiesenpatenschaften„.

Weitere Kooperationsmöglichkeiten: mit lokalen Einzelhändlern, mit Floristen und anderen Branchen, mit Schulen und Universitäten, mit Hotelketten usw.

Variante Sonderkulturen die mehr Wertschöpfung bieten.

Sanddorn, Aroniabeeren, Wildkräuter… es gibt spannende Nischen die man besetzen kann. Dafür müssen wir als Landwirte jedoch umdenken und bereit sein Neues auszuprobieren.

Wie vorhin erwähnt, das sind nur ein paar Gedankenanstöße. Wenn Ihr weitere spannende Ideen und Lösungsalternativen habt, dann teilt diese doch mit der Agrarbetrieb-Community. Nur wenn wir voneinander lernen, kommen wir als Spezies weiter. Das wissen wir in der Landwirtschaft nur allzu gut.

Höfesterben – Können wir dieses schreckliche Phänomen verlangsamen oder gar stoppen? Oder sollen wir es ganz einfach als „natürliche Selektion“ abtun und in die Big Cities „migrieren“?

2 Kommentare
  1. Henning Ahrens
    Henning Ahrens sagte:

    Bei „Bio“ greifen ja auch die bekannten marktwirtschaflichen Grundprinzipien, es bleibt also spannend wie lange die Betriebe eine Sonderstellung und ihre gefühlte Wirtschaftskraft gegenüber einem starken LEH behaupten können. Umstellungswillige Milcherzeuger im Nordwesten finden zum Beispiel z.Z. keine Molkerei – da der Markt gedeckt ist.
    In „Gunstregionen“ der Milchwirtschaft (z.B. Elbe-Weser) wird es wohl zu Begehrlichkeiten mit dem Umweltschutz kommen: hier hat man schon mal versucht die genutzten Moorwiesen in ihrer Nutzung einzuschränken. Vor dem Hintergrund einer CO2 Reduzierung kommt das Thema jetzt wieder.

    Antworten
    • Roland
      Roland sagte:

      Die Landwirte und ihren Produkte haben es schon immer mit marktwirtschaflichen Grundprinzipien zu tun.
      Als Bio noch eine kleine Nische war und der LEH noch keine Lust hatte die Produkte zu verkaufen,
      konnten kleine Biobetriebe von ihren Erzeugnissen noch sehr gut leben.

      Jetzt wo der Bio Milchmarkt und zum Teil auch bei Getreide der Markt voll ist, schlägt die Marktwirtschaft zu ( Angebot und Nachfrage ).
      Auch Bio ist im roten Ozean angekommen und es geht wie bei den konventionellen Betrieben um Kostenführerschaft und Größe um günstiger zu produzieren.
      Der LEH nutzt auch hier das gnadenlos aus ( Angebot und Nachfrage ) denn im Einkauf liegt der Gewinn.

      Jetzt kommt die Stunde der kreativen Landwirte die sich und Ihren Hof neu erfinden.
      Die Menschen leiben Geschichten, wollen Irgendwo dazu gehören
      und suchen etwas vertrautes, beständiges und sicheres in der heutigen Zeit, die so schnelllebig geworden ist.

      Ein schönes Beispiel ist Marketing für Autos. Alle Autos machen das selbe sie bringen Dich von A nach B.
      Entscheidend ist immer die Geschichte und für welche Zielgruppe das Auto sein soll.

      Daran können wir uns Ideen hohlen für wen wir was erzeugen wollen.
      Das wir sehr anstrengend für einige werden den man muss dann seine Komfortzone verlassen und neue Wege gehen.
      Ob die Landwirtschaft an CO2 was verdienen darf glaube ich nicht, das Geschäft werden andere machen.

      Ein Beispiel für Milch ist die Familie Hemme bei Hannover https://www.hemme-milch.de/home/alles-aus-eigener-hand/
      die sich schon vor über 20 Jahren dazu Gedanken gemacht habe den Milchpreis selbst zu bestimmen.
      Das geht nicht von jetzt auf gleich und hat auch ganz klein begonnen.

      Es gibt so viel Möglichkeiten nur manchmal kann man Sie nicht erkennen.
      Seminare außerhalb der Agrarblase können da helfen seinen Betreibe neu entdecken.
      Jeder hat unterschiedliche Talente und wenn diese zusammen mit einer passenden Idee
      und einer Nische oder Dienstleistung zusammen treffen, kann ein neuer Markt/ Standard oder blauer Ozean erobert werden.

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