2023-07 Neue Trends in der Landwirtschaft - Agrarbetrieb

Neue Trends in der Landwirtschaft

Von Permakultur über Vertical Farming bis hin zu Modellen der regenerativen Landwirtschaft, in unserer Branche entwickeln sich sehr viele Ansätze, die Lösungen für unsere aktuellen Herausforderungen bieten. Der Otto-Normalbürger, der sein Warenkorb im Geschäft auffüllt, bekommt hiervon zumeist nicht viel mit. Deshalb ist es meiner Meinung nach umso wichtiger, diese innovativen Trends und Entwicklungen aufzuzeigen, um das Bewusstsein des Konsumenten für diese zu stärken.

Die Landwirtschaft ist ein sehr spannendes Feld, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie befindet sich ständig in einem Spannungsfeld von Interessen der unterschiedlichsten Akteure. Die „Kämpfe“, die auf den Ackerfeldern im Hintergrund ausgefochten werden, geraten zumeist erst dann in die Schlagzeilen, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

Ja, viele haben wohl mal davon gehört, dass beispielsweise:

  • wir Ackerfelder an Industrie und für Wohngebiete abgeben müssen,
  • immer mehr landwirtschaftliche Familienbetriebe schließen,
  • eine Konzentration unserer Felder in den Händen weniger großer Konzerne stattfindet,
  • die Böden massiv weiterhin massiv Mineralien und andere Vitalstoffen verlieren, ohne die Möglichkeit, diese Verluste nachhaltig zu kompensieren, oder
  • die Regierung immer neue Gesetzestexte und Regularien kreiert, welche die Landwirte mit Papierkram überschütten und zumeist die wirtschafllichen Gewinne schmälern.

Trotz der Wichtigkeit dieser Themen, um eine gesunde Ernährung für die Bevölkerung gewährleisten zu können, werden diese jedoch relativ wenig thematisiert. Solange die Regale im Supermarkt gefüllt sind, die Preise noch halbwegs bezahlbar sind, sind sie wohl für die meisten Konsumenten noch nicht von Bedeutung.

Aber zurück zum Licht am Ende des Tunnels. Die Herausforderungen schaffen auch jede Menge kreative Ansätze, die zum Nachmachen einladen. Lasst uns zwei innovative Trends unter die Lupe nehmen, welche Euch zudem beweisen, dass – ob Gartenliebhaber oder Landwirt – jeder kann zukunftsorientierte Landwirtschaft mit seinen Ressourcen umsetzen.

Trend #1. „Keyhole Gardening“ – Der Schlüssellochgarten

Insbesondere in städtischen Gegenden sowie Gegenden mit kahlem Boden gewinnt ein Gartenkonzept an Beliebtheit, das auch „Keyhole Gardening“ genannt wird. Zu Deutsch, es handelt sich um einen Schlüssellochgarten, d.h. dem Gärtnern auf minimalstem Boden.

Das Prinzip ist einfach und gleichzeitig grandios. Man erstellt ein kreisförmiges Hochbeet mit einem keilförmigen Ausschnitt. In der Mitte der Konstruktion wird ein Kompostbehälter plaziert. Der Zugang zum zentralen Kompostbereich findet durch den zuvor erwähnten Ausschnitt statt. Der Rest des Hochbeetes besteht aus einer Anbaufläche, welche nach Belieben bepflanzt werden kann: ob mit Blumen, Kräutern, Gemüse- oder Obstgewächsen, auf kleinstem Raum kann reichlich geernet werden.

Für den Erfolg des Schlüssellochgartens sorgen die folgenden Spezifika:

  • Der Kompostbereich verleiht den Pflanzen Kraft und sorgt dafür, dass der Boden sich auf natürliche Weise regenerieren kann.
  • Der Boden, welcher für die Hochbeete verwendet wird, besteht aus mehreren Schichten. Diese sorgen dafür, dass Feuchtigkeit und Nährstoffe besser gespeichert und von den Pflanzen entsprechend verwertet werden.
  • Die Materialien, welche hierfür verwendet werden, sind recycelbar, umweltfreundlich und zudem preisgünstig.
  • Die Konstruktion kann beliebig groß gestaltet werden.
  • Das „Keyhole Gardening“ eignet sich hervorragend für den Anbau auf für die Landwirtschaft minderwertigen Böden, weshalb diese Art des Anbaus insbesondere bei felsigen und kahlen Böden bevorzugt wird.

Folgendes Video zeigt Euch auf, wie Ihr ein derartiges Beet aufbauen könnt und fasst die Vor- und Nachteile dieses Konzepts übersichtlich zusammen.

Quelle: Anjas Garten Reich, @BioGartenReich, YouTube

Trend #2. „Solawi“ – Die Solidarische Landwirtschaft

Eine Landwirtschaft, in welcher sich private Haushalte direkt mit den landwirtschaftlichen Betrieben und Gärtnereien verbinden und zudem alle involvierten Akteure von diesem nicht-industriellen Konstrukt profitieren können — klingt das wie Musik in Deinen Ohren?

Eine Landwirtschaft, in der nicht nur die Versorgung mit Lebensmitteln und vor allem nicht der wirtschaftlich Gewinn als oberste Ziele im Fokus stehen, sondern ebenso Aspekte wie der Zusammenhalt der Gesellschaft von enormer Bedeutung sind — genau darum geht es bei der solidarischen Landwirtschaft, kurz Solawi genannt.

Wie funktioniert dieses Konzept?

Im Grunde genommen ganz einfach: man bildet ein Netzwerk, bestehend aus mehreren privaten Haushalten (Verbraucher) sowie landwirtschaftlichen Betrieben und Gärtnereien. Keine Zwischenhändler. Keine Vermittler. Das Konstrukt basiert auf einem direkten Austausch zwischen dem Verbraucher und Produzent.

Die Zusammenarbeit der Akteure kann unterschiedlich gestaltet werden. So tragen bei manchen Solawis mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebes und erhalten im Gegenzug hierfür den Ernteertrag. Bei anderen Solawis bringen sich die Haushalte aktiv in den Produktionsprozess ein, d.h. sie packen beispielsweise bei den jeweiligen Feldarbeiten mit an und können im Ausgleich die Produkte zu einem günstigeren Preis erwerben. In beiden Fällen ist frisches Obst und Gemüse, direkt vom Feld, garantiert. Zudem stärkt die Zusammenarbeit auf all diesen Ebenen die gemeinschaftlichen Strukturen vor Ort.

Der nachfolgende kurze Beitrag des Bayerischen Rundfunks zeigt auf, wie eine derartige Solawi in einem Familienbetrieb bei Amberg erfolgreich umgesetzt wird.

Quelle: Bayerischer Rundfunk, YouTube

„Back to the Roots“

Die beiden aufgeführten Konzepte mögen nicht besonders schick und innovativ klingen, aber unterschätzt bitte nicht die Kraft, die hinter ihnen steckt. So unspektakulär sie klingen mögen, so zeigen sie doch eine Kehrtwende im Denken unserer Gesellschaft auf. Es ist ein Denken, dass uns als Menschen stärker mit Gleichgesinnten und der Natur in Einklang bringt.

Es profitieren hierbei nicht gesichtslose Konzerne, Einzelhändler, Vermittler und Co. – sondern Menschen und deren Heimat. Bei beiden Trends kann sich keine juristische Person hinter einem Logo verstecken und sich mit dem bereits überstrapazierten Marketingslogan „Nachhaltigkeit“ Konsumenten in eine bestimmte Richtung lenken und sich von Veranwortung „freikaufen“. Viele Herausforderungen unser aktuellen Zeit sind genau aus dieser Separation von Natur, Landwirtschaft, Produktion und Menschen entstanden.

Diese direkte Kommunikation, die Menschen unterschiedlicher Berufe, Altersgruppen und Interessen vereint, kann nichts in der Welt ersetzen. Die zwischenmenschliche Verbindung als auch die Verbindung und direkte Kontakt zur Natur und Produktion von unseren Lebensmitteln sind Dinge, für die es sich meiner Meinung nach zu kämpfen lohnt.

Bildquelle: Foto von Daria Obymaha auf Pexels

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