Foodscaping – eine Mini-Marktwirtschaft für kleine Gemeinden
Früher hatte fast jeder Hausbewohner einen kleinen Gemüsegarten, um über die Runden zu kommen. Foodscaping war in Zeiten von Wirtschaftskrisen und Krieg eine Hintertür, um Hungersnöten zu begegnen. Dann kam der Aufschwung, die Supermärkte waren mit Lebensmitteln vollgepackt und der Begriff „Saisongemüse“ gehörte der Vergangenheit. Die Gemüsegärten mutierten zu Blumenbeeten, denn der moderne Internet-Mensch hatte für die „lästige“ Gartenarbeit keine Zeit mehr … zumindest bis vor Kürze.
Die ganze Globalisierungsgeschichte mag seine Vorteile haben, aber dieses hin und her transportieren von Lebensmitteln die man auch vor Ort anbauen kann, macht absolut keinen Sinn mehr. Die Profiteure haben ihre Taschen gefüllt und würden gerne dieses Roulettespiel weiter verfolgen, doch Themen wie z.B. Logistikkosten, Nachhaltigkeit oder Transparenz fallen ihnen vermehrt auf die Füsse. Ein neues Konzept muss her was u.a. die Integration von altbewährten Systemen ermöglicht.
So kommt es, dass wir weltweit im Eiltempo versuchen, Lösungen für die Versorgung unserer Großstadtmenschen zu finden. Einerseits kann das aktuelle System das nicht mehr verwalten und tragen, und andererseits scheint der Exodus Richtung Megacities unaufhaltbar zu sein.
Projekte wie Vertical Farming, Underground Farming (z.B. in London) oder Rooftop Farming (siehe hierzu meinen Blog von letzter Woche, mit dem Titel: Europas größte Farm befindet sich auf einem Dach in Paris) sind Schritte in die richtige Richtung. Allerdings brauchen wir mehr, viel mehr, um die Versorgung von bald 8 Milliarden Menschen sicher zu stellen.
Was genau ist denn Foodscaping?
Der englische Begriff „Foodscaping“ ist ein Hybrid bestehend aus „farming“ (Landwirtschaft) und „landscaping“ (Landschaftsgestaltung). Im Endeffekt geht es darum jegliche Vorgärten und Grünflächen in essbare Landschaften umzuwandeln.
Beispiele:
- Der langweilige Rasen wird durch einen Kürbis- oder Auberginengarten ersetzt.
- Anstelle der Birke wird ein Apfelbaum und ein paar Tomatensträuche gepflanzt.
Der Aufruf ist klar und deutlich: Die Transformation von nicht essbaren in essbare Gärten.
Die Zeit des faulen Gärtners ist vorbei. Es geht um essbare Landschaftsgestaltung was in erster Linie den eigenen Garten betrifft, jedoch auch auf öffentliche Plätze wie z.B. Parks, Fußgängerzonen oder Spielplätze ausgeweitet werden kann.
Der Wohlstand der letzten Jahrzehnte führte zum Verschwinden des Nutzgartens und zum Blühen sog. Ziergärten und Zierrasen. Aber in Zeiten von Unsicherheit — so wie wir sie derzeit erleben, rückt effektives Nutzen vermehrt in den Vordergrund.
Anders als bei einer Kleingartensiedlung wo jeder sein eigenes Gemüse anpflanzt, sprechen sich die Nachbarn bei Foodscaping ab. Das ultimative Ziel der Community (egal ob groß oder klein) ist es, eine Mini-Marktwirtschaft zu kreieren, wo Obst und Gemüse zum Tausch angeboten wird.
Ein konkretes Beispiel:
Ich pflanze Tomatensträuche, Kartoffeln und Kürbisse an. Mein Nachbar auf der linken Seite pflanzt einen Apfelbaum, zwei Birnen- und drei Pflaumenbäume an. In seinem Obstbaumgarten hat er Platz auch noch für Erdbeeren und Heidelbeeren. Mein Nachbar auf der rechten Seite spezialisiert sich auf Salate, Gurken und Kräutervarianten. Später erfolgt dann ein Tausch zwischen uns.
Immer mehr Menschen wandeln ihre Rasenflächen in essbare Landschaften um. Viele verpassen dem Ganzen auch ein besonderes Design, denn man möchte auch was Schönes fürs Auge bieten.
Kommen wir nun zu den Vor- und Nachteilen von Foodscaping.
Was sind die VORTEILE?
- Frische: Kein Supermarkt der Welt kann diesen Punkt toppen. Frisches Gemüse, Obst und Kräuter aus dem eigenen Garten schmecken und riechen einfach herrlich.
- Rückverfolgbarkeit: Jeder weiß, woher seine Lebensmittel stammen und unter welchen Umständen diese gezüchtet wurden.
- Bio auf Wunsch: Man entscheidet selbst über die Verwendung von Dünger und Pestizide. Mit Backpulver und Essig erzielen viele Hobbygärtner eine erstaunliche Produktqualität.
- Freie Wahl: Jeder pflanzt das an was er / sie möchte und was seine Fläche hergibt.
- Man ist sein eigener Nahversorger.
- Man bestimmt selbst über den Preis.
- Jeder beteiligt sich an der Erschaffung eines Paradieses für Bienen und Insekten.
- Schluss mit Monokulturen / Artenvielfalt: Der Kreativität bei der essbaren Gartengestaltung sind keine Grenzen gesetzt.
Was sind die NACHTEILE?
- Platz/ Fläche benötigt: Nicht jeder Bewohner hat einen Garten vor seiner Wohnung, d.h. sie müssen sich entsprechende Flächen mieten. Hinzu kommt, dass diejenigen die z.B. Kürbisse oder Kartoffeln anbauen möchten, mehr Platz benötigen als diejenige die sich auf Erdbeeren oder Salate fokussieren.
- Wasserversorgung, Pflege, Sonnenlicht: Das ist eine Herausforderung auch für diejenigen mit größeren Flächen. Bestimmte Gemüsesorten am Leben zu halten, verlangt viel Aufmerksamkeit, Arbeit und Know-how.
- Schädlingsbekämpfung: Dies kann manchmal ganz schön teuer werden.
- Saisonalität: Im Zuge der Globalisierung haben wir uns daran gewöhnt, dass fast jedes Gemüse zu jeder Jahreszeit verfügbar ist. Beim eigenen Anbau ist man auf Saisongemüse angewiesen.
- Lagerung, Haltbarkeit: Nicht jeder hat einen gut temperierten Keller bzw. überhaupt einen Keller. Erdbeeren, Heidelbeeren, Kräuter, Tomaten und Co. müssen eingefroren werden, damit sie länger halten. Dafür braucht man Platz im Kühlschrank bzw. in der Gefriertruhe.
Lust auf „Foodscapen“ geweckt?
Foodscaping ist neben der urbanen Landwirtschaft und der eingangs aufgeführten Farming-Modelle, ein wichtiges Vehikel, um das Thema Versorgung anders anzupacken. Die Kontrolle über die Herkunft der Produkte ist für viele ein Hauptargument, um die essbare Landschaftsgestaltung sowohl auf dem Dorf als auch in den Städten zu erweitern.
Klar benötigt sowas Zeit, Pflege und Zuwendung. Und logisch muss man sich Gedanken darüber machen, wo man seine Ernte lagert bzw. welche Verarbeitungsmöglichkeiten es gibt. Aber die ganze Zeit im Büro oder Homeoffice zu sitzen, abends TV zu kucken und einmal die Woche den Rasen zu mähen, erfüllt viele Menschen zum Glück nicht mehr.
Raus an die frische Luft. Verbindet Euch wieder mit Mutter Natur und lasst Eurer Kreativität freien Lauf. Vielleicht überrascht Ihr Euch selbst und als Dankeschön gibt es eine super tolle Ernte.
Say goodbye to „Faulheit“, say hello to Foodscaping.
Bildquelle: Foto von Markus Spiske auf Unsplash
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